Neues

Zur Geschichte der Königswinter Konferenz

Elke Berger war von 1982 bis 2003 Geschäftsführerin der Deutsch-Englischen, später Deutsch-Britischen Gesellschaft, zuerst in Bonn, ab 1998 in Berlin.

Der Text geht auf einen Vortrag zurück, den Elke Berger anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Königswinter/Nordrhein-Westfalen und Cleethorpes/Lincolnshire am 28. Mai 2024 in Königswinter gehalten hat.

Die Stadt Königswinter hat eine lange englische Tradition.

Sie alle kennen sicher das Gedicht von Lord Byron, The Castled Crag of Drachenfels‘. Im vergangenen April veranstaltete das Siebengebirgsmuseum anlässlich des 200. Todestages von Lord Byron einen aufschlussreichen Vortrag über das Leben des englischen Dichters.

Copyright Siebengebirgsmuseum Königswinter

Weniger bekannt ist vielleicht der Aufenthalt des Prince of Wales, des englischen Thronfolgers, und erstem Sohn der legendären britischen Königin Victoria und ihres deutschen Ehemanns, Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, vom 11. Juli bis 27. August 1857 „im benachbarten Rheinstädtchen Königswinter“, wie die Bonner Zeitung am 20. Mai 1857 meldete.

Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zu Cleethorpes (1984) ist der Aufenthalt des Prinzen, des späteren Königs Edward VII., in Königswinter und Umgebung detailliert von dem damaligen Vorsitzenden des Heimatvereins Siebengebirge e.V. Königswinter beschrieben worden und ist in der 1987 herausgegebenen Festschrift nachzulesen. Für die Lokalpatrioten eine kleine Anmerkung: Besondere Erwähnung findet in dem Bericht das Haus Bachem, Wohnhaus des damaligen Bürgermeisters – jetzt das Bürgermeisteramt –, in dem der Prinz zwar einige Privaträume nutzte, aber im Europäischen Hof logierte. In seinem Tagebuch vermerkte er: „…steamers pass and repass continually by the windows of our hotel.“ Der Europäische Hof wurde Anfang der 1970er Jahre abgerissen, um einem Hotelneubau Platz zu machen.

Copyright Siebengebirgsmuseum Königswinter

Und dann fand seit 1950 im Adam-Stegerwald-Haus das Deutsch-Englische Gespräch in Königswinter statt, zu aktuellen Themen der Politik, Wirtschaft, Presse und Gesellschaft, 1950 jedoch – den akuten Lebensumständen der deutschen Bevölkerung Rechnung tragend – als Sozialarbeitertagung, d.h. britische Sozialarbeiter kamen zu einem 14-tägigen Aufenthalt nach Deutschland, hielten sich eine Woche in Königswinter und anschließend eine Woche im kriegszerstörten Essen auf, wo sie sich ein umfassendes Bild von den Nöten der Bevölkerung im Ruhrgebiet machen konnten. Unmittelbare Folge des Aufenthaltes der britischen Delegation in Essen war die Gründung des ersten Arbeitskreises der Deutsch-Englischen Gesellschaft, des Arbeitskreises Essen, der im Laufe der nächsten Jahre weitere Gründungen folgten. Zuletzt waren es insgesamt wohl 19 einschließlich der nach der deutschen Vereinigung in den neuen Bundesländern gegründeten Arbeitskreise.

Aber zurück zu dem Deutsch-Englischen Gespräch: Wie kam es zu diesen Konferenzen, fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges? Nun, am 18. März 1948 hatte sich in Düsseldorf die Deutsch-Englische Gesellschaft gegründet. An der Spitze der sicherlich anglophilen Gründungsmitglieder – es waren 7 politisch unbelastete Persönlichkeiten aus Nordrhein-Westfalen – stand Lilo Milchsack. Sie hatte, nachdem ihr Mann, Hans Milchsack, das ihm von der britischen Militärverwaltung übertragene Bürgermeisteramt für Wittlaer, einen kleinen Ort nördlich von Düsseldorf, an sie abgegeben hatte – er wollte sich dringend um den Wiederaufbau seines Rheinschiffahrtsunternehmens bemühen – schnell Kontakt zu den Briten, im Besonderen zu Robert Birley, dem Erziehungsberater des britischen Hohen Kommissars.

Sir Robert Birley (Copyright Deutsch-Englische Gesellschaft, DEG/ Deutsch-Britische Gesellschaft, DBG)

Robert Birley, später Sir Robert Birley, Headmaster von Eton (einer der berühmten englischen Public Schools), führte zahlreiche Gespräche mit deutschen Persönlichkeiten, die er für den Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens in Deutschland zu gewinnen suchte.

Lilo Milchsack (Copyright Deutsch-Englische Gesellschaft, DEG/ Deutsch-Britische Gesellschaft, DBG)

Bei Lilo Milchsack traf er auf offene Ohren. Die Versöhnung mit den europäischen Nachbarn, hier mit Großbritannien, und Anbahnung und Aufbau freundschaftlicher Beziehungen waren ihr ein Herzensanliegen. Sie war überzeugt, dass vor allem persönliche Kontakte zwischen Bürgern zweier Länder die Voraussetzung waren, um der Entwicklung eines Regimes wie dem der Nationalsozialisten entgegenzuwirken und sie letztlich zu verhindern. Ihr lebenslanges Engagement für den deutsch-britischen Dialog war beispiellos.

1951 fand dann das erste politische Deutsch-Englische Gespräch unter dem Thema „Verantwortung der Presse“ statt, ein Thema, das nicht aktueller sein könnte. Wenn auch hier bei der Ausrichtung der Konferenz der Gedanke im Vordergrund stand, vor allem zur Anbahnung von persönlichen Kontakten zwischen britischen und deutschen Teilnehmern, die sich – so die Hoffnung – vielleicht zu Freundschaften entwickeln würden, beizutragen.

Copyright Siebengebirgsmuseum Königswinter

Aber warum wählte man Königswinter als Tagungsort? Nun – so ist überliefert – in Königswinter gab es das Adam-Stegerwald-Haus, das während des Krieges unversehrt geblieben und geeignet war, neben vorhandenen Studienräumen eine größere Teilnehmerzahl unterzubringen. Zudem hatte Königswinter den Vorzug, in angemessener Entfernung zu Bonn Teilnehmern zu ermöglichen, u.U. Termine in Bonn wahrzunehmen, ohne sich zu lange von den anberaumten Studiensitzungen zu entfernen (was von den Organisatoren ohnehin missbilligend in Kauf genommen wurde). Der technische Aufwand für die Konferenz war äußerst bescheiden, ja behelfsmäßig – verglichen mit heutigen Ansprüchen und Möglichkeiten. So gab es weder eine Simultananlage noch professionelle Dolmetscher wie in späteren Jahren. Angehörige der ehemaligen britischen Militärregierung, 1949 abgelöst durch die Hohe Kommission, stellten sich z.B. als Übersetzer zur Verfügung. Die spartanische Unterbringung der Konferenzteilnehmer konnte jedoch die Freude über die Möglichkeit zu einem offenen, jahrelang zwangsweise unterdrückten Gedankenaustausch in keiner Weise schmälern.

Und Königswinter, am Fuße des Siebengebirges gelegen, und einer der historischen Orte der Rheinromantik übte zweifellos seinen Reiz auf die Konferenzteilnehmer aus. Man nahm gerne wahr, was sich an Attraktionen bot: ein Aufstieg auf den Drachenfels oder ein Erinnerungsfoto, nicht zu vergessen die gemütlichen Weinkneipen, wie der Jesuiter Hof, das Tubac, später auch die Bar des Maritim Hotels u.a.m., in denen Briten und Deutsche bis spät in der Nacht zusammensaßen und ihre Diskussionen fortsetzten.

Copyright DEG/DBG

Bedauerlicherweise ist der Bericht über die Konferenz 1951 nicht mehr verfügbar. Aber der Bericht 1953 ist verfügbar, ein unschätzbares zeithistorisches Dokument, unscheinbar in der Aufmachung, aber schon mit dem Logo des Konferenzberichts – der „Eselsritt auf den Drachenfels“ – wie es bis 1999 in jeweils anderer Farbkombination das Cover des Berichtes ziert.

Auch für die Konferenz 1953 haben die Organisatoren ein Thema gewählt: Europäische Integration und die Atlantische Gemeinschaft, das nicht aktueller sein könnte und für das der renommierte Politikwissenschaftler Dolf Sternberger, in seinem Referat die Grundlage der anschließenden Diskussionen vorgab. Aber der Konferenzbericht 1953 ist nicht das einzige Zeitdokument, das über die damalige politische Lage in Europa und im Besonderen über die mit der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 anstehende Integration der Bundesrepublik in die westliche Völkergemeinschaft Aufschluss gab. Von historischer Bedeutung ist gleichwohl die Sammlung von Auszügen der Pressestimmen über die Konferenz 1953; ich zitiere aus dem Artikel von Herbert von Borch, erschienen in ‚Deutsche Kommentare‘ am 18. April 1953, in dem der „Geist“ von Königswinter zutreffend beschrieben ist:

„Nun schon zum vierten Mal haben sich in Königswinter an dem mit historischen Reminiszenzen beladenen Strom hervorragende Gäste aus England mit deutschen Gesprächspartnern getroffen, um auf Einladung der Deutsch-Englischen Gesellschaft einige sokratische Tage zu verbringen. Diese durch private Initiative zustande gekommenen Treffen haben sich fast den Rang von einer außenpolitischen Einrichtung zwischen den beiden Ländern erworben. Im vorigen Jahr verrieten mehrere Unterhausdebatten den Einfluss der klärenden Gespräche, und dieses Jahr wird es kaum anders werden. Jedenfalls wird jeder, der an ihnen teilgenommen hat, dem konservativen Politiker aus England zugestimmt haben, als er sagte, dass die Möglichkeit eines solchen Gesprächs die Antwort darauf darstelle, was denn nun eigentlich die Freie Welt definiere. Mit größtem Freimut, der auch gelegentliche Schärfen nicht vermied, wurde eine wechselseitige Bestandsaufnahme der Meinungen, Auffassungen und Willensrichtungen aufgenommen …“

Ergänzend zu der hier betonten freien Meinungsäußerung steht ein immer wieder hervorgehobener Aspekt, der „Königswinter“ auszeichnet: Die Konferenzteilnehmer verfolgen keinerlei politische Absichten, verabschieden keine Resolutionen; sie sind absolut frei in ihren Meinungsäußerungen. Es gilt die Chatham House Rule, d.h. die in den Studiengruppen erfolgten Redebeiträge bleiben in den öffentlichen Plenarsitzungen und Pressestimmen strikt ohne Namensnennung des Urhebers. Die Inhalte der Gespräche finden jedoch vielfach Eingang in die offiziellen politischen Debatten und geben vor anstehenden Regierungsentscheidungen immer wieder Anstoß zu wechselseitigen Bestandsaufnahmen (s. oben) und Kompromissen.

Das Deutsch-Englische Gespräch fand alljährlich – außer 1964 in Oxford und 1970 in Cambridge – in Königswinter statt. 1974 war die Konferenz Gast in Edinburgh und im Zuge der Vorbereitungen ergab sich der Name Königswinter Konferenz. Die Organisatoren sahen die Verwendung des Titels ‚Deutsch-Englisches Gespräch‘ in der Hauptstadt Schottlands als Affront. Inzwischen hat sich längst die Kurzform ‚Königswinter‘ eingebürgert. Aus Anlass der 25. Konferenz (1975) machten die Briten dann ihren deutschen Partnern das Geschenk, ‚Königswinter‘ ein über das andere Jahr in Großbritannien auszurichten. Die britische Seite fühlte sich verpflichtet, fortan abwechselnd Verantwortung für die Ausgestaltung der Konferenz zu übernehmen und unterstrich damit die einzigartige Bedeutung von ‚Königswinter‘ als bilaterales Instrument.

Der Historiker Ralph Uhlig fasste in seiner Dokumentation (Uhlig 1986) die Konferenzen von Anfang der 50er bis Ende der 70er Jahre in drei Abschnitten zusammen:
(1) Im Zeichen des Abbaus gegenseitigen Misstrauens (1950-1059),
(2) Die Auseinandersetzung um den Beitritt Großbritanniens zur EWG (1960-1969),
(3) Das Ringen um die Integration Großbritanniens in die EG (1970-1979).

Auf dem Podium von links nach rechts: Shirley Williams (MP Labour), PM Edward Heath, Lilo Milchsack, Nicolas Henderson (Brit. Botschafter), Hans von Herwarth (Vorsitzender der DEG), Roy Jenkins (MP Labour), Ralf Dahrendorf Copyright DEG/ DBG

So dominiert das Thema Europa seit den 60er Jahren und auch nach dem von der konservativen Regierung Edward Heaths 1973 vollzogenen Beitritt. Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft die Diskussionen bei ‚Königswinter‘. Abgeordnete der Konservativen und Labour Party lieferten sich bittere Debatten über Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft ihres Landes.

Die Abtrünigen der Labour Party Roy Jenkins, David Owen, William Rodgers und Shirley Williams – die sogenannte Gang of Four -, die sich vehement für den Verbleib GBs in der EG einsetzten, erfuhren während der Konferenzen viel Aufmerksamkeit von allen Teilnehmern, im Besonderen von ihren Kollegen in der SPD.

1981 kam es dann zur Gründung der Social Democratic Party, die sich 1988 mit der Liberal Party zusammenschloss, eine Entscheidung, die von dem Vorsitzenden der Liberalen, David Steel, und 3 Mitgliedern der Gang of Four während eines nachmittäglichen Ausflugs auf den Drachenfels getroffen und von den Konferenzteilnehmern mit großer Zustimmung aufgenommen wurde.

David Steel (rechts) Copyright DEG/ DBG

Eine gewisse organisatorische Schwierigkeit bereitete dieser Zusammenschluss den Konferenzorganisatoren bei der Zuordnung der britischen Abgeordneten zu den Frühstücks- oder Lunch-Einladungen ihrer deutschen Partner.

Aber natürlich war nicht nur die Europäische Gemeinschaft das Thema in Königswinter. In den 1980er Jahren nahm die Konfrontation zwischen Ost und West breiten Raum ein, ebenso die steigende Bedrohung der Umwelt und das Wachsen des Nord-Süd-Gefälles. Mit dem Ende des Kommunismus in der früheren Sowjetunion und in Osteuropa, der Neuformierung der Mächte im Osten und des Aufstrebens Chinas hat sich der Schwerpunkt der Debatten auf den Ausbau und die Erweiterung der Europäischen Union, den Erhalt der westlichen Allianz und der transatlantischen Zusammenarbeit und auf Themen wie die Globalisierung der Märkte, Asyl, Armutswanderung und Erhalt der sozialen Sicherheit verlagert.

Wie sollten nun alle diese Themenpunkte unter einem übergreifenden Gesamtthema erfasst werden? Hier muss betont werden, dass die Organisatoren der Konferenz schon etwa ab 1952 bemüht waren, das Generalthema der Konferenz relativ allgemein, wenn nicht sogar nichtsagend, zu fassen, um einer weitreichenden Debatte Raum zu geben. Die Teilnehmer sollten die Möglichkeit haben, unvorhergesehene politische und/oder wirtschaftliche Entwicklungen zu erörtern. so z.B. geschehen während der Konferenz 1982 in Oxford bei Ausbruch der Falkland-Krise, als die britischen Abgeordneten nach London gerufen wurden, um an der eilends anberaumten Unterhausdebatte und Abstimmung über ein militärisches Eingreifen Großbritanniens in den Konflikt mit Argentinien teilzunehmen.

Königswinter Konferenz, Plenum (Copyright DEG/DBG)

Wenn auch das jeweilige Gesamtthema der Konferenzen relativ weit gefasst war, waren den traditionellen vier Studiengruppen klar formulierte Themen mit vier oder drei Unterthemen vorgegeben. Es lag dann in der Gesprächsführung des Vorsitzenden der Studiengruppe, welchem Unterthema durch die Diskussionsbeiträge der Teilnehmer mehr oder weniger Gewicht zukam.

Ein unerwartetes zeithistorisches politisches Ereignis, der Fall der Berliner Mauer und in seinem Zuge die Deutsche Vereinigung 1990, veranlasste die Deutsch-Englische Gesellschaft auf Initiative ihres Vorsitzenden Karl-Günther von Hase, ‚Königswinter‘ 1991 in Dresden durchzuführen. Es war die erste bilaterale Konferenz, die im vereinten Deutschland stattfand. Der Journalist Friedrich Eismann bemerkt in der ‚Neue Zeit‘ vom 18. März 1991:

„…Der Blick der Königswinterer ist zwar traditionell westwärts gerichtet, nach Europa. Doch daß dieses Europa östlicher geworden ist, ist ihrem scharfen Blick nicht entgangen. …“

Wenn in den Anfangsjahren der Konferenz noch der Beirat der Deutsch-Englischen Gesellschaft die Agenda beriet und entschied, formierte sich auf Initiative der Gesellschaft relativ bald ein Kreis von Persönlichkeiten, die auf Grund ihrer politischen Stellung und/oder ihres Fachwissens für den vorbereitenden Ausschuss (Steering Committee) gewonnen wurden, dem sie sich ehrenamtlich zur Verfügung stellten. Dieser paritätisch besetzte Deutsch-Britische Ausschuss erarbeitete etwa drei Monate vor Konferenztermin die Agenda, schlug Persönlichkeiten für die während der Konferenz zu übernehmenden Aufgaben (Referent, Chairman, Berichterstatter) wie auch die einzuladenden Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Presse und Wissenschaft vor. Dabei stand die Überparteilichkeit an vorderster Stelle. Diese war neben den Maximen Unabhängigkeit und Ehrenamtlichkeit bei der Gründung der Deutsch-Englische Gesellschaft in der Satzung festgeschrieben und gilt unverändert fort.

Eine ebenso entscheidende Rolle spielt die Unabhängigkeit. Der Vorstand der Gesellschaft, allen voran Lilo Milchsack, verteidigte die Unabhängigkeit ihrer Arbeit immer wieder gegen jegliche Einflussnahme z.B. von Seiten des Auswärtigen Amtes und/oder anderer regierungsnaher Institutionen. Zwar gehörten eine Einladung des Auswärtigen Amtes an die Konferenzteilnehmer zu einem opulenten Abendbuffet in die Redoute, das Hotel Dreesen und 1999 in das Hotel Petersberg mit einem Regierungsmitglied als Gastgeber zum Konferenzprogramm wie auch die Teilnahme hoher Regierungsbeamter an den Studiensitzungen im Adam-Stegerwald-Haus. Aber der Rahmen war bestimmt von dem inoffiziellen und privat gehaltenen Ambiente der Treffen. Langjährige Königswinter-Teilnehmer sprachen vom „Königswinter-Geist“, eine durchaus treffende Charakterisierung der Konferenzatmosphäre. Und diesen „Königswinter Geist“ zu bewahren und zu garantieren, war Aufgabe des vorbereitenden Ausschusses (Steering Committee), d.h. besondere Sorgfalt wurde auf die Auswahl der Teilnehmer verwendet: etwa ein Drittel mussten „old hands“ sein, sozusagen die Garanten des „Königswinter Geistes“; ein Drittel „new hands“ – um der Gefahr zu entgehen, ein old boys bzw. ein old girls club zu werden; und bei einem weiteren Drittel war das vorrangige Auswahlkriterium die Expertise für die Themen der Agenda.

Jung Königswinter Konferenz 2000 (Copyright DEG/ DBG)

Die Deutsch-Englische Gesellschaft selbst hat den Gebrauch des Namens ‚Königswinter‘ inflationär verwandt. 1962 veranstaltete der Deutsch-Britische Jugendaustausch zusammen mit der Landesgruppe Berlin der Gesellschaft erstmalig die „Jung-Königswinter-Konferenz“, die seitdem alljährlich im Sommer in Berlin für die Altersgruppe 25 bis 35 stattfindet. 1995 gründete die Gesellschaft die Königswinter Stiftung, von der sie sich einen jährlichen Finanzbeitrag versprach, und seit Ende der 1990er Jahre findet abwechselnd in Deutschland und Großbritannien das „Economic Königswinter“ und „Defence Königswinter“ statt, beides eintägige Expertentreffen. Amüsant ist vielleicht die Bezeichnung „Königswinter Sound“, kreiert von einem britischen Journalisten, der nicht ganz glücklich über den während der Busfahrt vom Flughafen nach Königswinter herrschenden Geräuschpegel war.

1999 tagte die Konferenz letztmalig im Adam-Stegerwald-Haus in Königswinter. Der Vorstand der Deutsch-Englischen Gesellschaft, die ihre Hauptgeschäftsstelle bereits ein Jahr zuvor nach Berlin verlegt hatte. entschied mit Rücksicht auf potentielle deutsche Teilnehmer, die zum überwiegenden Teil ihr berufliches Umfeld noch in Westdeutschland hatten, die Konferenz an ihrem Ursprungsort durchzuführen. Es war in zweifacher Hinsicht ein besonderes Ereignis: Zum einen war es die 50. Wiederkehr des Gründungsdatums der Deutsch-Englischen Gesellschaft und zum anderen der Abschied von einem bewährten und vertrauten Ort. Jedoch kam keine besondere Abschiedsstimmung auf, im Gegenteil! Die Gedanken bewegten sich in Richtung „Berliner Republik“, wie sie der Publizist Johannes Gross Anfang der 1990er Jahre nannte.

Königswinter Konferenz (Copyright DEG/DBG)

Und doch blieben nostalgische Gefühle nicht aus. In keiner der Ansprachen im Plenum fehlten erinnernde Worte an die Anfänge der Konferenzen und ihre Bedeutung für die deutsch-britischen Beziehungen. So sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer zu Beginn seiner Ausführungen als Gastgeber des Abendbuffets der Bundesregierung auf dem Petersberg:

„…The regular meetings which have taken place in Königswinter have made a considerable contribution to understanding and reconciliation between the United Kingdom and Germany. Königswinter represents honesty in our mutual relations and the firm intent of both countries to travel the path together into the future, a European future … .“

Als 2001 nach Verlegung der Hauptgeschäftsstelle nach Berlin die Konferenz erstmalig nahe der Hauptstadt in Potsdam stattfand, betonte der amtierende Vorsitzende, Hermann Freiherr von Richthofen, bei der Eröffnung der Konferenz

„… Wir halten an dem Namen ‚Königswinter‘ für unsere jährliche Konferenz fest, denn er ist ein erfolgreiches Markenzeichen geworden. …“

Dass sich ‚Königswinter‘ mit dem Wechsel vom Rhein an die Spree neuen Aufgaben stellen musste, unterstreicht der Journalist Marc Beise in seinem Artikel über die Konferenz in der Süddeutschen Zeitung vom 26. März 2001:

Königswinter Konferenz (Copyright DEG/DBG)

„… Jahr für Jahr treffen sich Politiker, Diplomaten, Unternehmer, Wissenschaftler und Angehörige von Nichtregierungsorganisationen aus beiden Staaten nun schon zum 51. Mal. Nach einem halben Jahrhundert muss sich dieses bedeutende Nachkriegsforum (…), müssen sich die nachwachsenden Generationen ihre Themen erschließen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Standortverlagerung der deutschen Tagung fort aus der Namen gebenden Stadt (…) in die Nähe des neuen deutschen Machtzentrums Berlin… “. 

Von den zahlreichen ermutigenden Äußerungen hochgestellter Persönlichkeiten zu ‚Königswinter‘ möchte ich nur die des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss zitieren. Anlässlich des Empfangs für die Teilnehmer des 10. Deutsch-Englischen Gesprächs in Königswinter 1959 sagte er u.a.:

„… Die Demokratie lebt ja davon, dass außer den Professionellen der Politik Journalisten, Parlamentarier und Erzieher freiwillig ihren Beitrag zur Schaffung gegenseitiger Verständigung leisten, auf deren Grundlage eine vernünftige Regierungspolitik erst möglich wird. …“

Und um das Wort Brexit einmal zu erwähnen, zitiere ich den derzeitigen Vorsitzenden der Deutsch-Britischen Gesellschaft, Botschafter a.D. Thomas Matussek, der sich während der verstörend wirkenden Auseinandersetzungen in Großbritannien über den Brexit u.a. wie folgt äußerte:

„… In Zeiten des Brexit müssen wir jedes verfügbare Mittel nutzen, das dazu beitragen kann, Deutschlands enge Zusammenarbeit mit unseren britischen Freunden zu bewahren. ‚Königswinter‘ ist ein vitales Instrument der Kommunikation. …“

Zum Schluss ein Wort an die Verantwortlichen der Stadt Königswinter: 50 Jahre lang hat sie ein hochpolitisches bilaterales Gesprächsforum, an dem Repräsentanten der intellektuellen Elite beider Länder teilnahmen, in Ihren Mauern beherbergt und hat damit in hohem Maße zur Pflege der deutsch-britischen Beziehungen beigetragen. Dafür ist ihr die Deutsch-Britische Gesellschaft sehr dankbar.

***
Ralph Uhlig: Die Deutsch-Englische Gesellschaft 1949-1983 – Der Beitrag ihrer Königswinter Konferenzen zur britisch-deutschen Verständigung (Hrsg.: Deutsches Historisches Institut London). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1986.